Bahá'í und Weihnachten
DAS UNIVERSALE HAUS DER GERECHTIGKEIT
SEKRETARIATSABTEILUNG
26. Mai 1982
[An einen Nationalen Rat]
Liebe Bahá'í-Freunde,
das Universale Haus der Gerechtigkeit hat Ihren Brief erhalten, in dem Sie um Führung bitten bezüglich des Umgangs der Freunde mit den religiösen Ritualen und Festen vorangegangener Sendungen. Wir wurden gebeten, Ihnen die folgenden Erläuterungen zu übermitteln.
Die Bahá'í sollten sicherlich ermutigt werden, ihre ererbten kulturellen Eigenheiten zu bewahren, solange die damit zusammenhängenden Aktivitäten den Bahá'í-Idealen nicht entgegenstehen. Die Beibehaltung solcher kulturellen Eigenarten ist ein Ausdruck der Einheit in der Vielfalt. Wenngleich sich die meisten dieser feierlichen Anlässe ohne Zweifel ursprünglich aus religiösen Ritualen entwickelt haben, sollten die Gläubigen nicht davon abgehalten werden, an denjenigen teilzunehmen, deren religiöser Kern im Laufe der Zeit einer rein kulturellen Bedeutung gewichen ist. […]
Um zu entscheiden, an welchen traditionellen Aktivitäten sie teilnehmen können, sollten sich die Bahá'í vor zwei Extremen hüten: Das eine ist, sich unnötigerweise von harmlosen kulturellen Bräuchen zu distanzieren und sich so ihren Nicht-Bahá'í-Familien und Freunden zu entfremden. Das andere ist, das Begehen von abgeschafften Feiertagen aus früheren Sendungen einfach unreflektiert fortzusetzen und so die Unabhängigkeit der Bahá'í-Religion zu untergraben und zudem unnötige Mauern zwischen sich und ihren Mit-Bahá'í aufzurichten. In diesem Zusammenhang sollte ein Unterschied gemacht werden zwischen dem, was die Bahá'í untereinander tun und dem, was sie in Gemeinschaft mit ihren Nicht-Bahá'í-Freunden und Verwandten tun. In einem Brief, der im Auftrag des Hüters an einen einzelnen Gläubigen geschrieben wurde, findet sich beispielsweise die folgende Führung:
„Was das Begehen der christlichen Feiertage durch die Gläubigen anbelangt ist es sicher vorzuziehen und sogar sehr empfehlenswert, dass die Freunde untereinander das Feiern solcher Anlässe wie Weihnachten oder Neujahr aufgeben und die Festivitäten, die mit diesen Anlässen üblicherweise verbunden sind, stattdessen auf die Eingeschobenen Tage oder Naw-Rúz verschieben.“
Weiterhin bestehen keine Einwände, dass Bahá'í an den religiösen Trauungszeremonien ihrer Freunde und Verwandten teilnehmen oder an den Feierlichkeiten teilnehmen, die üblicherweise mit solchen Ereignissen verbunden sind, vorausgesetzt dass sie dabei keine Bahá'í-Gesetze verletzen. Zum Beispiel wären Bahá'í, sollte der Konsum alkoholischer Getränke Teil solcher Feiern sein, selbstverständlich gezwungen, sich vom Genuss solcher Getränke fernzuhalten.
Es gibt aber auch ausschließlich religiöse Feiern, am denen die Bahá'í nicht teilnehmen sollten, um die Unabhängigkeit des Glaubens zu wahren. In diesem Zusammenhang erteilte der geliebte Hüter einem einzelnen Gläubigen den folgenden Rat:
„In diesen Tagen sollten die Freunde – so weit es ihnen möglich ist – durch ihre Taten und Worte die Unabhängigkeit der Heiligen Religion Gottes und deren Freisein von den Bräuchen, Ritualen und Praktiken einer in Misskredit geratenen und abgelösten Vergangenheit demonstrieren.“
Das Haus der Gerechtigkeit empfiehlt den Bahá'í, bei der Beachtung dieses Grundsatzes ein Gleichgewicht zwischen ihrer Treue zur Sache und dem Gehorsam gegen ihre Gebote auf der einen sowie ihrer Stellung in der Gesellschaft auf der anderen Seite anzustreben. Wenn jemand Bahá'í wird, dann erwirbt er sich, wie sie sicherlich wissen, eine umfassendere Treue zu den Manifestationen Gottes. Im Geiste dieses neuen Lebenswandels sollte er daher vorsichtig sein, sich nicht von seiner Familie und seinen Mitmenschen zu isolieren. Auch sollte er Respekt gegenüber seiner früheren Religion zeigen. Die Bahá'í sollten freilich alle Handlungen unterlassen, die ihre Zugehörigkeit zu einer anderen Religionsgemeinschaft andeuten könnten oder die den Bahá'í-Grundsätzen zuwiderlaufen. Es gibt eine klare Unterscheidung zwischen der Teilnahme an feierlichen und kulturellen Veranstaltungen und der Durchführung von religiösen Zeremonien und Ritualen.
Es sollte auch bedacht werden, dass die Trennung der Bahá'í von Bräuchen und Traditionen, die in ihren Gesellschaften über Jahrhunderte gepflegt worden sind, Zeit braucht und ein schrittweiser Prozess ist. Daher sollte der Nationale Rat, wenngleich er Strenge in solchen Fragen vermeiden sollte, keine Kompromisse eingehen, wenn die Interessen des Glaubens und seine Unversehrtheit auf dem Spiel stehen.
Das Haus der Gerechtigkeit versichert Sie seiner fortgesetzten Gebete in den Heiligen Schreinen für Ihre Führung in Ihren Beistand.
Mit liebevollen Bahá'í-Grüßen
Sekretariatsabteilung
* Vorläufige, nicht autorisierte Übersetzung aus dem Englischen