Der Sinn des Lebens
Die Frage nach dem Sinn unseres Lebens, die Frage wer ist der Mensch, wie sollte er leben, um wirklich Mensch zu sein, bewegt seit alters her die Menschen.
Religionen und Philosophen haben verschiedene Antworten auf diese Frage gegeben. Um aus der Sicht der Bahai-Religion zu antworten, möchte ich mich dieser Kernfrage von einigen unterschiedlichen Aspekten her nähern und mich dabei auf Aussagen des Stifters der Bahai-Religion, Bahá'ú'lláh, beziehen.
Dabei ist mir das erste Prinzip seiner Lehre besonders wesentlich: die selbstständige, unabhängige Suche nach Wahrheit. Wir sind aufgefordert, der Frage nach dem Ursprung und Ziel unserer Existenz und dessen, was uns umgibt, der Frage nach dem Sinn unseres Lebens nachzugehen, ohne uns dabei von Traditionen,vorgefassten Meinungen und dem, was andere uns beigebracht haben, leiten zu lassen.
Erstes Ziel: Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis
Baha´ú´lláh sagt: „Betrachte den Menschen als ein Bergwerk, reich an Edelsteinen von unschätzbarem Wert. Nur die Erziehung kann bewirken, dass es seine Schätze enthüllt und die Menschheit daraus Nutzen zu ziehen vermag.“
Jeder Mensch wird demnach mit einem großen Potenzial geboren, das er in seinem Leben durch Erziehung und Selbsterziehung erkennen und entwickeln soll - zu seinem eigenen Nutzen und zum Wohl aller.
Zu unserem Potenzial gehört auch, dass wir als Menschen unseren Schöpfer erkennen können. Das bedeutet nicht, dass wir Gott wirklich erfassen können. Aber mit unseren geistigen Fähigkeiten, unserem Verstand und unseren Sinneswahrnehmungen ist es uns möglich, in allen Dingen, in der Natur und besonders in jedem Menschen Zeichen und Eigenschaften des Göttlichen zu erkennen.
„Der hat Gott erkannt, der sich selbst erkannt hat.“
In einem Bahai-Gebet heißt es: „Ich bezeuge, oh mein Gott, dass du mich erschaffen hast, dich zu erkennen und anzubeten.“
Besonders deutlich können wir Gott in Gestalt der Stifter der Offenbarungsreligionen, wie z.B. Christus, Mohammed oder Bahá´u´llah erkennen. Ihr Wort ist das offenbarte Wort Gottes. In den Hl. Schriften erfahren wir von unserem Schöpfer und seiner Absicht. Das Gebet ist eine Möglichkeit, mit unserem Schöpfer in Verbindung zu treten. Dieser Verbindung kann man auch durch geistige Übungen wie der Meditation, oder durch Wort und Tat in einer bewussten Lebensführung Ausdruck geben.
Ein weiterer Lebenssinn ergibt sich, wenn ich auf das Ende eines Menschenlebens schaue:
Aus Sicht der Bahá‘í - Religion besitzt der Mensch neben seiner materiellen auch eine geistige, spirituelle Natur. Seine geistige Identität, seine Seele, ist unsterblich. Sie lebt und entwickelt sich nach dem Tod in der geistigen Welt weiter, hin zu Gott. So wie der Mensch im Mutterleib all die Voraussetzungen entwickelt, die er in der Welt „da draußen“ benötigt, um sich dort weiter zu entwickeln, genau so sind wir aufgefordert, in unserem Leben geistige Eigenschaften, Tugenden zu entfalten. Sie bilden sozusagen das Rüstzeug für eine Weiterentwicklung der Seele nach dem Tod.
„Alle Menschen wurden erschaffen, um eine ständig fortschreitende Kultur voranzutragen.“
Diese Aussage Bahá‘ú´lláhs führt zu einer weiteren, wesentlichen Sinngebung unseres Lebens.
Bahá´u´lláh betont die Einheit der Religionen. Er erklärt, dass alle Religionen von demselben Gott stammen, und dass alle Religionsstifter die gleichen, ewigen Grundwahrheiten verkünden. Zum Beispiel fordern sie die Menschen auf, geistig gesinnt, rechtschaffen oder barmherzig zu sein.
Neben diesen Grundwahrheiten verkündet jeder Gottesbote aber auch neue Lehren. Sie entsprechen den Umständen, Bedürfnissen und Problemen der Zeit, in der er gewirkt hat. Jede Religion bringt der Menschheit neue Impulse und fördert ihre weitere Entwicklung. Die besondere Herausforderung für unsere heutige Zeit besteht darin, weltweit zusammenzuwachsen. Die enge Verbundenheit aller Völker wird immer deutlicher und ihre gegenseitige Abhängigkeit wächst täglich.
Die Bahai - Religion ist eine junge Weltreligion. Sie wurde vor etwa 150 Jahren gestiftet.
Bahá'ú´llah sagt: „Das Wohlergehen der Menschheit, ihr Friede und ihre Sicherheit sind unerreichbar, solange ihre Einheit nicht fest begründet ist.“
Als Bahai sehen wir einen wesentlichen Sinn darin, uns für diese Vision der Einheit der Menschheit, einer Einheit in der Vielfalt, einzusetzen, indem wir uns bemühen Verbundenheit und Freundschaft zu leben, Vorurteile jeglicher Art zu überwinden und unsere Fähigkeiten dem Wohl des Ganzen zur Verfügung zu stellen.
Ich möchte mit einem Zitat schließen:
„Betrachtet einander nicht als Fremde. Ihr seid die Früchte eines Baumes, die Blätter eines Zweiges. Verkehrt miteinander in größter
Liebe und Eintracht, in Freundschaft und Brüderlichkeit.“
und
„Der ist wirklich ein Mensch, der sich heute dem Dienst am ganzen Menschengeschlecht hingibt.“
Dieses Statement eines Mitgliedes der Wittener Gemeinde wurde bei den Gerdeshofgesprächen am 10.04.2014 vorgetragen.