Die Bahá'í-Gemeinde Witten
In Dankbarkeit aber auch mit Zuversicht wollen wir auf die Offenbarung Bahá'u'lláhs hinweisen und dokumentieren, dass die Bahá'í ein gestaltender Teil des Lebens in unserer Kommune sind. In dieser Zuversicht hat die Gemeinde seit dem 01.11.2017 ein Gemeindezentrum eingerichtet:
Bahá'í-Gemeindezentrum, 58453 Witten-Annen, Annenstr. 137
Gemeindeordnung
Die Lehren Bahá'u'lláhs legen die Grundlage einer Gemeindeordnung fest, die heute von den Bahá'í auf der ganzen Welt praktiziert wird. Sie verkörpert ein neues Gesellschaftsmodell, in dem Einzelne keine Machtposition einnehmen. Alle, die Gemeinde betreffenden Angelegenheiten, werden in demokratisch gewählten Gremien beraten und mehrheitlich entschieden.
Beratet miteinander in allen Angelegenheiten, denn Beratung ist die Lampe der Führung, welche den Weg weist und Einsicht schenkt.
Bahá'u'lláh
Gemeindeinterne Veranstaltungen
- 19-Tagefeste
- Beratung und Vertiefungen zu religiösen und gesellschaftlichen Themen
- Andachtsversammlungen zu Gedenktagen und Feiertagen
Ich wünsche, dass ihr glücklich seid..., dass ihr lacht, strahlt und euch freut, damit andere durch euch glücklich werden.
Abdu'l-Bahá
Statement der Bahá'´i-Gemeinde Witten
Die Erde ist nur ein Land, und alle Menschen sind seine Bürger
Statement
Weltweit setzen sich die Bahai dafür ein, die menschliche Kultur im Sinne einer „Einheit in Vielfalt“ weiterzuentwickeln.
Die Bahai-Gemeinde Witten beteiligt sich daran im Rahmen ihrer Möglichkeiten.
Gemäß ihren Prinzipien wirkt sie auch auf kommunaler Ebene dahingehend, dass die Menschen Wittens sich als gleichberechtigte und verantwortungsbewusste Bürger begreifen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion oder sozialer Stellung.
Sie fördert den Dialog der Religionen und ein friedliches Miteinander,
sie entwickelt Initiativen zur Integration von Menschen jeder Herkunft,
sie führt Kurse zum Erwerb der deutschen Sprache durch und fördert Kompetenzen in Englisch für eine weltweit mögliche Kommunikation,
sie betrachtet jeden Menschen mit seinen verschiedenen Talenten als „ein Bergwerk voller Edelsteine“ und fördert dementsprechend Kinder und Jugendliche,
sie unterstützt Initiativen gegen Krieg, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit,
sie bemüht sich um Schutz und verantwortungsvollen Umgang mit der Natur und der Umwelt,
sie achtet im materiellen Austausch auf Fairness und Nachhaltigkeit,
sie schätzt bildende und darstellende Kunst, Literatur und Musik als wichtiges Kulturgut,
sie betrachtet den Menschen als ein geistiges Wesen und geistige Nahrung als einen wichtigen Beitrag zu dessen Glück und Wohlbefinden.
Die Bahai-Gemeinde wird die Verantwortlichen der Stadt Witten in all diesen Bereichen – unabhängig von parteipolitischen Konstellationen - aufrichtig und mit der Kraft ihrer Möglichkeiten unterstützen.
Witten, den 05.03.2018
Der Geistige Rat der Bahá’í-Gemeinde Witten
Ausgewählte Zitate Mashriqu’l-Adhkár und Andachtsversammlungen - Oktober 2016
Selig ist, wer zur Stunde der Morgendämmerung seine Gedanken auf Gott richtet und, Seinem Gedenken hingegeben und Seine Vergebung erflehend, seine Schritte zum Mashriqu’l-Adhkár lenkt, sich dort schweigend setzt und den Versen Gottes, des Souveräns, des Mächtigen, des Allgepriesenen lauscht. Sprich: Der Mashriqu’l-Adhkár ist ein jedes Bauwerk, das in Städten und Dörfern zu Meinem Lobpreis errichtet ist. Dies ist der Name, der ihm vor Gottes Thron verliehen ward, so ihr zu den Verständigen gehöret.
Bahá’u’lláh, Kitáb-i-Aqdas 115
Obwohl der Mashriqu’l-Adhkár, äußerlich betrachtet, ein stoffliches Gefüge ist, hat er geistige Wirkung. Er schmiedet Bande der Einheit von Herz zu Herz; er ist ein Sammelpunkt für die Menschenseelen. Jede Stadt, wo in den Tagen der Manifestation ein Tempel errichtet ward, hat Sicherheit, Beständigkeit und Frieden verbreitet; denn diese Gebäude waren der immerwährenden Verherrlichung Gottes geweiht, und nur im Gedenken Gottes kann das Herz Ruhe finden. Gütiger Gott! Der Bau des Hauses der Andacht hat gewaltigen Einfluss auf jeden Lebensabschnitt. Erfahrungen im Osten haben dies zur Tatsache gemacht. Selbst wenn in einem kleinen Dorf ein Haus zum Mashriqu’l-Adhkár bestimmt wurde, brachte es eine deutliche Wirkung hervor. Wieviel größer ist der Einfluss, wenn ein Mashriqu’l-Adhkár eigens erbaut wird! ‘Abdu’l-Bahá,
Briefe und Botschaften 60
Der Mashriqu’l-Adhkár ist eine der wichtigsten Institutionen auf der Welt. Er hat viele ergänzende Einrichtungen. Zwar ist er ein Haus der Andacht, ihm sind aber ein Krankenhaus, eine Apotheke, ein Hospiz für Reisende, eine Schule für Waisen und eine Universität für fortgeschrittene Studien angeschlossen. Zu jedem Mashriqu’l-Adhkár gehören diese fünf Dinge. Es ist meine Hoffnung, dass in Amerika jetzt der Mashriqu’l-Adhkár errichtet werde und dass dann allmählich das Krankenhaus, die Schule, die Universität, die Apotheke und das Hospiz folgen werden, alle nach dem wirksamsten, zweckmäßigsten Verfahren arbeitend. Macht dies alles unter den Geliebten des Herrn bekannt, so dass sie verstehen, wie überragend groß die Bedeutung dieses „Aufgangsortes des Gedenkens Gottes“ ist. Der Tempel ist nicht nur ein Ort der Anbetung. Er ist vielmehr in jeder Hinsicht ein umfassendes Ganzes.
‘Abdu’l-Bahá, Briefe und Botschaften 64:1
Es ziemt den Freunden, ein Treffen abzuhalten, eine Versammlung, in der sie Gott verherrlichen, ihr Herz an Ihn binden, die heiligen Schriften der Gesegneten Schönheit lesen und vortragen – möge meine Seele das Lösegeld für Seine Liebenden sein! Das Licht aus dem allherrlichen Reich, die Strahlen des höchsten Horizontes ergießen sich über solch leuchtende Versammlungen; denn sie sind nichts anderes als die Mashriqu’l-Adhkár, die Aufgangsorte der Erwähnung Gottes, die nach dem Gebot der Erhabensten Feder in jedem Dorf und jeder Stadt errichtet werden müssen... Mit der höchsten Reinheit und Weihe müssen diese geistigen Versammlungen abgehalten werden, so dass der Versammlungsort, seine Erde und die Luft um ihn her den duftenden Hauch des Heiligen Geistes verströmen.
‘Abdu’l-Bahá, Briefe und Botschaften 55
Auszüge aus einer Botschaft des Universalen Hauses der Gerechtigkeit vom 18. Dezember 2014
…Die Vision des Meisters sah diesbezüglich viele Gegebenheiten und Umstände vor, unter denen das Konzept des Mashriqu’l-Adhkár in seiner keimhaften Form Ausdruck finden konnte. Betrachten wir Seine Worte in diesem Zusammenhang: Was den Mashriqu’l-Adhkár betrifft, so ist er von größter Bedeutung. … Er kann beliebig gestaltet sein, denn selbst wenn er eine unterirdische Höhle wäre, wird diese Höhle zu einem schützenden Paradies werden, zu einem erhabenen Ruheplatz und einem Garten der Wonne. Sie wird zu einem Zentrum, in dem die Seelen erfreut und die Herzen zum Abhá-Königreich angezogen werden.
Das Konzept des Mashriqu’l-Adhkár ist einzigartig in den Annalen der Religionen und ein Sinnbild für die Lehren des neuen Tages Gottes. Der Mashriqu’l-Adhkár, ein gesellschaftliches Versammlungszentrum, in dem herzliche Zuneigung gefördert wird, steht als allgemeiner Andachtsort allen Bewohnern einer Gegend, unabhängig von Religionszugehörigkeit, Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit oder Geschlecht, offen, und dient als Oase für tiefes Nachdenken über die geistige Wirklichkeit und die grundlegenden Fragen des Lebens, einschließlich der persönlichen und gemeinschaftlichen Verantwortung für die Verbesserung der Gesellschaft. Männer und Frauen, Kinder und Jugendliche, werden in gleicher Weise in seiner Mitte aufgenommen.
Diese einzigartige und umfassende Universalität drückt sich selbst in der Bauweise des Mashriqu’l-Adhkár aus, dessen Entwurf als Bauwerk mit neun Seiten den Eindruck der Vollständigkeit und Vollkommenheit vermittelt, was durch diese Zahl symbolisiert wird. Als ein Ort, von dem geistige Kräfte ausstrahlen sollen, ist der Mashriqu’l-Adhkár der Brennpunkt für Nebengebäude, die für das Wohl der Menschheit errichtet werden, und ist Ausdruck eines gemeinsamen Willens und der Bereitschaft zu dienen. Diese Nebengebäude – Zentren der Bildung und des wissenschaftlichen Lernens sowie kultureller und humanitärer Bestrebungen – verkörpern die Ideale sozialen und geistigen Fortschritts, der durch angewandtes Wissen erreicht werden soll, und zeigen, wie sie im Zusammenklang von Religion und Wissenschaft die Stufe des Menschen erhöhen und zum Erblühen der Zivilisation führen.
Wie Ihrer aller Leben deutlich erkennen lässt, muss Andacht – wie notwendig sie auch für das innere Leben des Menschen und wie entscheidend sie für die geistige Entwicklung ist – auch zu Taten führen, die dem inneren Wandel äußeren Ausdruck verleihen. Dieses Konzept der Andacht – untrennbar mit Dienstbarkeit verbunden – wird durch den Mashriqu’l-Adhkár verbreitet. In diesem Zusammenhang schreibt Shoghi Effendi: Getrennt von den sozialen, humanitären, erzieherischen und wissenschaftlichen Zielsetzungen, die sich mit den Nebengebäuden des Mashriqu’l-Adhkár verbinden, kann die Bahá’í-Andacht – trotz ihrer erhabenen Schau, trotz ihrer tiefen Innigkeit – nie hoffen, über die dürftigen und oft flüchtigen Ergebnisse hinauszuwachsen, wie sie die Kontemplation des Asketen oder die passive Gebetsgemeinschaft erzielen. Sie kann weder dem Betenden selbst, noch der Menschheit insgesamt dauerhaft Befriedigung und Gewinn bringen, solange sie nicht in jenen dynamischen und selbstlosen Dienst an der Menschheit umgesetzt wird, den zu erleichtern und zu fördern das höchste Vorrecht der Nebengebäude des Mashriqu’l-Adhkár ist.
Die Zwillingsleuchten dieses strahlenden Zeitalters haben uns dies gelehrt: Das Gebet ist das unverzichtbare geistige Gespräch der Seele mit ihrem Schöpfer, direkt und ohne Mittler. Es ist die geistige Nahrung, die das Leben des Geistes erhält. Wie der morgendliche Tau bringt es dem Herzen Frische und reinigt es, so dass es frei von den Bindungen des hartnäckigen Egos wird. Es ist ein Feuer, das die Schleier verbrennt, und ein Licht, das zum Meer der Wiedervereinigung mit dem Allmächtigen führt. Auf seinen Flügeln schwingt sich die Seele auf in himmlische Sphären, näher zu der göttlichen Wirklichkeit. Die Entwicklung der grenzenlosen Fähigkeiten der Seele und die Anziehung der Wohltaten Gottes hängen von der Güte des Gebets ab; es auszudehnen ist jedoch nicht wünschenswert. Die im Gebet latenten Kräfte werden offenbar, wenn es aus Liebe zu Gott dargebracht wird, jenseits jeglicher Furcht oder Hoffnung, und frei von Zurschaustellung und Aberglauben. Es sollte mit aufrichtigem und reinem Herzen dargebracht werden und zu innerer Schau und tiefem Nachdenken führen, so dass die Verstandeskraft durch seine Wirkungen erleuchtet werden kann. Ein solches Gebet wird die Beschränkung der Worte überwinden und weit über bloße Töne hinauswachsen. Die Süße seiner Melodien muss das Herz erfreuen und erheben und die durchdringende Macht des Wortes verstärken, irdische Neigungen in himmlische Attribute verwandeln und zu selbstlosem Dienst an der Menschheit inspirieren.
Wir haben die Bahá’í aufgefordert zu erkennen, wie sie mit ihren Bemühungen um die Gemeindebildung ein neues Muster einer möglichen Gesellschaft schaffen. Insgesamt fördert dieses Muster die Fähigkeit für den Dienst – für die Erziehung und Ausbildung der jungen Generationen, für die Förderung der Jugendlichen, für die geistige Erziehung der Kinder, für die Verbesserung der Fähigkeit, gestärkt durch den Einfluss des Wortes Gottes andere auf dem Feld des Dienstes zu begleiten, und für den sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt eines Volkes im Licht der göttlichen Lehren für dieses Zeitalter. Wesentlich für dieses Muster ist die Andachtsversammlung – ein gemeinschaftlicher Aspekt des gottgefälligen Lebens und eine Dimension des Konzeptes des Mashriqu’l-Adhkár – eine wunderbare Gelegenheit für Ihre Gemeinde, nicht nur den Allmächtigen anzubeten und Seine Segnungen in Ihrem eigenen Leben zu erflehen, sondern auch dafür, die geistigen Energien des Gebets Ihren Mitbürgern zu vermitteln, für sie die Reinheit der Andacht wiederherzustellen, in ihren Herzen den Glauben an die göttlichen Bestätigungen zu wecken und gleichermaßen in ihnen, und nicht zuletzt in sich selbst, den Eifer zu stärken, ihrem Volk und der Menschheit zu dienen, und auf dem Pfad der Gerechtigkeit konstruktive Widerstandskraft zu zeigen.
Aus der Botschaft des Universalen Hauses der Gerechtigkeit an die Konferenz der Kontinentalen Beraterämter vom 29. Dezember 2015
… Außerdem soll erreicht werden, dass immer mehr Andachtsversammlungen an vielen verschiedenen Orten abgehalten werden, so dass Hunderte von Menschen, schließlich Tausende, zur gemeinsamen Anbetung Gottes zusammenkommen, in Gemeinschaft mit ihren Familien und Nachbarn.
… An diesen Andachten kann jede Seele teilnehmen und hat die Möglichkeit, die himmlischen Düfte zu atmen, die Süße des Gebets zu erleben, über das schöpferische Wort zu meditieren, sich auf den Schwingen des Geistes zu bewegen und Zwiesprache mit dem Einen Geliebten zu halten. Gefühle der Gemeinschaft und des gemeinsamen Anliegens werden erzeugt, besonders in den tiefen geistigen Gesprächen, die bei solchen Gelegenheiten ganz natürlich entstehen und in deren Verlauf die „Städte der Menschenherzen“ geöffnet werden können. Durch die Einladung zu einer Gebetsversammlung, bei der Erwachsene und Kinder jeder Herkunft willkommen sind, ist an jedem Ort der Geist des Mashriqu’l-Adhkár zu spüren. Die Verstärkung des Andachtscharakters einer Gemeinde hat auch Einfluss auf das Neunzehntagefest und wird bei anderen Gelegenheiten spürbar, zu denen die Freunde zusammenkommen.
Bericht über die Pilgerfahrt im Juni 2022
Am 5. Juni 2022 war es endlich soweit. Nach über zweijähriger Vorbereitung konnte sich die erste deutsche Pilgergruppe aus Deutschland aufmachen, die Heiligen Stätten des Bahá’í-Glaubens in Israel zu besuchen. Zu den 14 Gläubigen und Freunden des Glaubens aus dem Cluster-Ruhr kam eine vierköpfige Familie aus Süddeutschland. Betreut wurden wir von Roya Schayani-Mühlschlegel, die für uns die englischsprachige Führung übersetzte und Ralf Mühlschlegel, der sich um alle organisatorischen Belange, wie z.B. Lebensmitteleinkäufe für gemeinsame Mahlzeiten, die Bereitstellung von Taxen oder um das gemeinsame Freizeitprogramm kümmerte.
Wer die Berichte früher Pilger nach Palästina gelesen hat (z.B. Yúnis Afrúkhtih: Erinnerungen an neun Jahre in ’Akká), der kennt die Strapazen und Unannehmlichkeiten, die mit einer derartigen Reise verbunden waren. Nicht zu vergleichen mit dem Komfort des heutigen Reisens. Dass aber auch in diesen Tagen den Pilgern manches Erschwernis in den Weg gelegt wird, dafür sorgten dann die Lufthansa und die Deutsche Bahn. Doch dies ist eine andere Geschichte.
„Auf den Spuren Bahás“ war die Grundstruktur eines dichten Programms, das uns nach der Anmeldung und Registrierung im Pilgerzentrum Bahá’u’llás und ’Abdu’l- in den nächsten neun Tagen zu bedeutsamen „Heiligen Stätten“ des Glaubens führen sollte.
Die Entwicklung der Gemeinde zu einer Einheit
Die Entwicklung der Gemeinde zu einer Einheit
von Ruhíyyih Khanum
Jemand fragte Shoghi Effendi: “Was ist für einen Bahá’í der Sinn des Lebens? “ Bevor der Hüter seine Antwort für mich wiederholte (ich war während des Besuches nicht anwesend), fragte ich mich tatsächlich im stillen, was er wohl gesagt haben mochte. Hatte er dem Besucher gesagt, dass der Sinn des Lebens für uns sei, Gott zu erkennen oder unseren Charakter zu vervollkommnen? Ich hätte nicht im Traum an die Antwort gedacht, die er wie folgt gegeben hatte:
Der Sinn des Lebens ist für einen Bahá’í, die Einheit der Menschheit voranzutreiben. Der gesamte Sinn unseres Lebens ist eng verknüpft mit dem Leben aller menschlichen Geschöpfe: Wir suchen kein persönliches, sondern ein universelles Seelenheil. Wir dürfen nicht in uns selbst blicken und sagen: “Nun beeile dich, um deine Seele zu retten und einen bequemen Platz in der nächsten Welt zu reservieren!” Nein, wir müssen beginnen, das Himmelreich diesem Planeten zu bringen. Das ist ein sehr umfangreiches Vorhaben. Der Hüter erklärte dann weiter, dass es unser Ziel sei, eine Weltzivilisation zu schaffen, die wiederum den Chrakter des Einzelnen beeinflussen wird. Dies ist in gewisser Weise die Umkehrung des Christentums, das mit der persönlichen Einheit begann und sich über diese auf das vielfältige Leben der Menschen ausbreitete.
Das heißt nicht, dass wir das Abschleifen unserer Persönlichkeit und das Ausmerzen unserer Fehler und Schwächen vernachlässigen dürfen. Es heißt vielmehr, dass wir eine Menge von dem, was wir durch das Studium der Lehren Bahá'u'lláhs als wahr erkannt haben, anderen gegenüber ausstrahlen müssen. Es bedeutet ‑ wie mir scheint ‑ auch, dass unsere “Verwaltungsordnung”, unsere Geistigen Räte, Ausschüsse, Neunzehntagefeste und Konferenzen ein naheliegendes und herausforderndes Versuchsgelände für uns darstellen. Wenn wir nicht lernen können und wollen, mit unseren Mitgläubigen in unserem Bahá’í-Gemeindeleben so wie wir sollten zusammen zu arbeiten, dann können wir kaum erwarten, dass die Welt auf uns hören oder unserem Beispiel folgen wird. Wir neigen dazu, unsere Administration für eine Reihe von Verfahrensweisen, einen Weg der Handhabung von Bahá’í-Angelegenheiten zu halten. Vielleicht ist das der Grund, weshalb wir nicht die Ergebnisse erzielen, von denen wir wissen, dass wir sie erhalten sollten. Sie ist kein Bündel Regelungen, sie ist der Nährboden der Einheit, eine Gussform gemeinschaftlichen Lebens. Jede einzelne Sache, die wir als Teil des Bahá’í‑Seins begreifen, wie Liebe, Gerechtigkeit, Fehlen von Vorurteilen, Ehrlichkeit, Aufgeschlossenheit, Verständnis usw. sollte ihren lebendigen Ausdruck in unserer Art finden, wie wir als eine Gruppe unsere Angelegenheiten erledigen. Wenn wir die Einheit in unserem Rat haben, werden wir sie sehr wahrscheinlich in unserer Gemeinde ebenso haben oder erreichen können. Wenn wir einmal so weit gekommen sind, werden die Menschen beginnen, in Scharen Bahá’í zu werden. Warum sollten sie auch nicht? Sucht die Welt etwas anderes als eine Sache, die die Menschen tatsächlich in die Lage versetzt, harmonisch zusammenzuleben und zu arbeiten? Solange wir dies selbst nicht können ‑ wie können wir von irgendjemand anderem wirklich ernsthaftes Interesse für unsere Ideen erwarten?
‘Abdu’l-Bahá wird zugeschrieben, gesagt zu haben, dass das Geheimnis der Selbstbeherrschung das Selbstvergessen sei. Wenn etwas in unserer administrativen Arbeit falsch ist, dann dies, dass wir uns einfach nicht vergessen. Unser eigenes kleines oder, je nachdem, großes Ego geht ohne weiteres mit uns in unsere GR-Sitzungen oder ein anderes Treffen. Dort sitzen wir mit unserem Überlegenheits‑ oder Minderwertigkeitskomplex oder eben unserem normalen, gesunden Ich und warten darauf, unsere Ansichten anderen aufzudrängen oder uns über Beleidigungen, die wir uns einbilden, aufzuregen oder nur, um unbewusst Zeit für uns in Anspruch zu nehmen oder wir sind zu müde, um uns anzustrengen, unseren pflichtgemäßen Teil beizutragen. Ich hoffe, dies in aller Demut und mit tiefem Mitgefühl für alle meine Mitgläubigen sagen zu dürfen, da ich selbst in vielen Ausschüssen und einem Rat mitgearbeitet habe und erschreckt und belustigt zugleich auf meine vergangenen Einstellungen und Torheiten zurückblicke. Ich kann mich daran erinnern, wie höchst wichtig mein Standpunkt für mich war, wie beleidigt oder bedrückt ich wurde, wenn dieser nicht wenigstens mit großer Achtung geprüft wurde, und wie ich manchmal glaubte, nur ich wäre ein gefestigter Bahá’í unter all den Anwesenden, die dabei waren, die Sache mit einer Mehrheitsentscheidung, der ich nicht beipflichtete, zu zerstören. Wir müssen nicht nur mit anderen, sondern auch mit uns selbst geduldig sein. Wir müssen uns aber auch intensiver darum bemühen, dort, wo es am wichtigsten ist, Bahá’í zu sein: in unserem gemeinsamen Bahá’í‑Leben.
Nichts auf der Welt ist einfacher, als anderen zu sagen, was sie tun sollen! Doch wenn wir versuchen, uns selbst zu sagen, was wir tun sollten und uns selbst zum Handeln zu bringen, kommen wir in Bedrängnis! Sogar wir Bahá’í haben teil an dieser allgemeinsten aller menschlichen Schwächen. Wir sind geneigt, unsere Aufmerksamkeit auf die Fehler unserer Mitgläubigen zu richten und zu glauben, dass wenn sie (oder er) nicht so ein Hindernis wäre, die Angelegenheiten unserer Gruppe, unseres Rates oder unserer Gemeinde reibungsloser erledigt würden. Natürlich gibt es wahrscheinlich eine Rechtfertigung für unsere Kritik. Aber Kritik bringt die Dinge nicht weit voran, im Gegenteil, wahrscheinlich lenkt sie fortwährend unsere Aufmerksamkeit von wichtigeren Aufgaben ab. Gleichzeitig ist einer unserer eigenen Fehler sicherlich eine Prüfung und im selben Maße für andere ein Hindernis, wie einer ihrer Fehler es für uns ist. Der beste Weg, unsere Schwäche zu überwinden, ist, wie mir scheint, ein zweifacher: einmal zu versuchen, sich weiter zu entwickeln, denn wenn man besser ist, bewirkt dies, dass die Gesamtsumme der Gemeinde auch um diesen Betrag verbessert wird, und zum anderen unsere Kräfte darauf zu konzentrieren, wirklich gemäß der Administration zu arbeiten, die eine lebende, dynamische Sache und keine Sammlung von Geboten und Verboten ist. Die Bahá’í, durch das Feuer einer lebendigen, religiösen Überzeugung belebt, sind größtenteils gewissenhaft im Befolgen der Gesetze und Prinzipien ihres Glaubens. Sie sind stolz auf seine Lehren, sie lieben sie wirklich und versuchen aufrichtig, ihnen gemäß zu leben. Die Opfer (denn in den Augen der kompliziert oder weltlich Denkenden erscheinen sie als solche), die sie bringen, wie z.B. nicht zu trinken, obwohl es die allgemeinste Gewohnheit dieses Zeitalters ist, ein keusches und edles Leben zu führen in einer Gesellschaft, die größtenteils glaubt, jede Beschränkung des Sinnenlebens sei unnötig und ungesund, Missbilligung und sogar Ächtung lieber auf sich zu nehmen, als gegen die Ansicht zu verstoßen, dass alle Farben und Klassen mit absoluter Gleichheit behandelt und mit ihnen frei und liebevoll Umgang gepflegt werden muss ‑ all dies nehmen sie freudig als ein Mittel auf sich, die Wahrhaftigkeit ihres Glaubens unter Beweis zu stellen.
Es besteht kein Zweifel, dass die Gläubigen unter denen, die mit ihnen Umgang pflegen, einen guten Ruf haben wegen ihres Charakters und ihrer Rechtschaffenheit. Aber aus irgendwelchen Gründen scheinen sich all unsere kleinen Schwächen bei der Arbeit in der Administration zu zeigen, vielleicht, weil sie der Prüfstein ist, den Bahá’u’lláh für die Krankheiten der Welt eingesetzt hat. Ich habe darüber sehr viel nachgedacht und mich gefragt, warum es wohl so ist: was mein Denkergebnis wert ist, mögen andere beurteilen. Es kann nicht die ganze Antwort sein, aber vielleicht wird es ein wenig helfen, die richtige Antwort zu finden.
Wir haben die Neigung, geistige Gesetze beiseite zu schieben, wenn wir uns mit administrativen Problemen beschäftigen. Wenn man überlegt, ist gerade dies das genaue Gegenteil des gesamten Konzepts der Bahá’í‑Regierungsform. Bahá’u’lláh, der “Vater”, ist gekommen, um das Himmelreich auf Erden zu errichten. Wenn wir daran wirklich glauben (und das tun wir natürlich), dann müssen wir es analysieren. Es beinhaltet eine nach Gesetzen, und zwar geistigen Gesetzen ablaufende Welt. Es beinhaltet Ordnung, Disziplin und Organisation, aber aufgebaut auf den Prinzipien von Gottes nicht irrendem Propheten und nicht konstruiert vom kleinen, eigennützigen Verstand der Menschen. Daraus folgt, daß die Stelle, an der ein Bahá’í seine größte Tätigkeit entfalten und im höchsten Grade seiner Fähigkeiten den Lehren entsprechend leben sollte, jedwede Zusammenkunft im Rahmen der Administrativen Ordnung ist. Und doch sieht man so oft, wie ein sehr netter Bahá’í einen Großteil, wenn nicht seine gesamte geistige Gesinnung beiseiteschiebt, sobald er zu einer Ratssitzung, einem Ausschuss oder einer Konferenz kommt, und zu einem Geschäftsmann, einem ,reinen Beamten oder sogar etwas, das so leicht einem Politiker ähnelt, wird! Wir haben den Hauptkanal zugestopft ... und wurden wie die anderen Mitglieder aller anderen Ratsversammlungen der Welt, die durch verschiedenartige Absichten, Persönlichkeitsprobleme, individuelle Angriffslust usw. nicht weiter wissen. Ich frage mich, weshalb? Weil wir glauben, kompetent zu sein, alle weltlichen Angelegenheiten gemäß unserer eigenen “Erleuchtung” erledigen zu können? Was auch immer der Grund sein mag ‑ hier liegt die Ursache, die unsere Bahá’í‑Gemeinde davon abhält, breite Massen zur Sache zu führen, denn diese Ursache hält uns davon zurück, die Liebe und Einheit, nach der sich die ganze menschliche Rasse sehnt, unter einer großen Masse von Menschen zu erzeugen. Wir denken zu sehr an unsere eigenen Fähigkeiten und insgesamt zu wenig an das, was die Kraft Gottes durch jede noch so unbedeutende kleine Seele, die sich öffnet, leisten kann. Das größte lebendige Beispiel, an dem ich gesehen habe, was jemand, der sich der Kraft Gottes anvertraut hat, leisten kann, war Martha Root. Nicht, dass sie unbedeutend war ‑ das war sie nicht, sie war eine begabte und intelligente Frau. Aber was sie leistete, war unendlich weit jenseits ihrer eigenen Kräfte. Und sie wusste es. Sie pflegte zu sagen: “Bahá’u’lláh vollbringt es!”
aus Alaska Bahá'í News, May 1974 (aus BN 131/74)