Ein Planet - Ein Lebensraum - Themen
Ein Planet - Ein Lebensraum - Treuhänderschaft für die Welt der Natur
Der Mensch übt einen Grad von Einfluss auf die Welt der Natur aus, der unter allen Lebensformen auf unserem Planeten einzigartig ist. Bisweilen wurde dies als Rechtfertigung für eine Ausrichtung auf die Beherrschung und Kontrolle der Natur ausgelegt, die durch Vorstellungen von Eigentum und Dominanz untermauert wurde. Da jedoch immer mehr Menschen die Verbindung mit und die Abhängigkeit der Menschheit von der Umwelt erkennen, akzeptieren sie, dass unsere beispiellos starke Wirkung die unausweichliche Pflicht mit sich bringt, die natürliche Welt zu pflegen und zu schützen.
Jeder von uns betritt die Welt unter der Obhut des Ganzen. Jeder trägt seinerseits ein gewisses Maß an Verantwortung für das Wohlergehen aller und für den Planeten, von dem wir abhängen. Dieses weltumfassende Bewusstsein von Treuhänderschaft zielt nicht darauf ab, die Auswirkungen der Menschheit auf die natürliche Welt zu beseitigen. Materielle Ressourcen werden immer benötigt werden, um die Zivilisation zu erhalten und voranzubringen. Das Ziel besteht vielmehr darin, diese Auswirkungen bewusst, kreativ und mitfühlend zu steuern.
Während wir lernen, wie die Rohstoffe der Erde am besten zum Wohle aller genutzt werden können, müssen wir uns unserer Haltung gegenüber der Quelle unserer Lebensgrundlage bewusst sein. Die Tatsache, dass der Reichtum und die Wunder der Erde das gemeinsame Erbe aller Menschen sind, die einen gerechten und gleichberechtigten Zugang zu ihren Ressourcen verdienen, muss sich in unseren Aktivitäten widerspiegeln.
Unsere Entscheidungen müssen eine generationenübergreifende Perspektive erkennen lassen, in der das Wohlergehen zukünftiger Erdbewohner auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung berücksichtigt wird. Und in dieser turbulenten Zeit der Menschheitsgeschichte muss unser Handeln zunehmend von der Weisheit und dem Urteilsvermögen geleitet sein, die mit wachsender Reife einhergehen.
Gibt es eine edlere Tat als den Dienst am Allgemeinwohl? Nein, bei Gott dem Herrn!
Baháʼí-Schriften
Ein Planet - Ein Lebensraum - Wissenschaft und Religion: Komplementäre Systeme des Wissens und der Praxis
Für den Aufbau einer nachhaltigeren Welt stehen der Menschheit zwei sich gegenseitig verstärkende Wissens- und Praxissysteme zur Verfügung: Wissenschaft und Religion.
Die wissenschaftliche Forschung ist ein wichtiges Instrument, um die physische Realität zu verstehen und innovative Lösungen zu schmieden, die auf der Suche nach Wahrheit und der Verpflichtung zum Lernen basieren. In Verbindung mit Werten wie Freiheit von Vorurteilen und Voreingenommenheit hat sie die Menschheit befähigt, Fakten von Vermutungen zu trennen. Die wissenschaftlichen Fähigkeiten - Beobachten, Messen, rigoroses Testen von Ideen - haben uns ermöglicht, ein kohärentes Verständnis der Gesetze und Prozesse zu erlangen, welche die physikalische Realität bestimmen und Einblicke in menschliches Verhalten und die Funktionsweise der Gesellschaft zu gewinnen. Die Methodik der wissenschaftlichen Erkundung ist bei weitem nicht nur Forschern und Akademikern vorbehalten; sie kann von jedem Einzelnen und jeder Gemeinde verwendet werden.
Die Religion ihrerseits bietet einen Rahmen, in welchem hohe Ideale auf das Leben des Einzelnen und der Gesellschaft zum Wohle aller angewandt werden können. Die geistigen Prinzipien, welche die seit langem bestehenden Weltreligionen beseelen, halfen Einzelpersonen und ganzen Völkern, sich mit Fragen nach dem Sinn, dem Zweck und dem Wesen eines guten Lebens und einer guten Gesellschaft auseinanderzusetzen. Wenn die Religion diesen Idealen treu bleibt, stellt sie ein Bollwerk gegen materialistische Ideologien bereit, welche die Menschen auf bloße Ressourcen reduzieren möchten, die ausgebeutet werden können, oder auf Konsumenten, die gesättigt werden wollen. In ihrem höchsten Ausdruck hat die Religion nicht nur zu Tugenden wie Integrität, guten Charakter, Entschlossenheit, Zusammenarbeit und aufopferndes Bestreben aufgerufen, sie hat auch eine wachsende Anzahl von Menschen zusammengeführt, die sich auf diese Prinzipien berufen, wobei sie unterschiedliche Elemente vereint, und Gemeinden entstehen ließ, die zusammenarbeiten, um hohe Ideale in die Praxis umzusetzen.
Zusammengenommen schaffen Wissenschaft und Religion die grundlegenden organisierenden Prinzipien, mit denen dauerhafter Fortschritt erzielt werden kann. Wenn man sowohl die materielle als auch die geistige Dimension der Menschheit im Auge behält, und sowohl der wissenschaftlichen als auch der geistigen Erkenntnis die gebührende Aufmerksamkeit schenkt, wird die Tendenz vermieden, den menschlichen Fortschritt auf den Konsum von Waren, Dienstleistungen und technologischen Angeboten zu reduzieren.
Wissenschaft und Religion sind beide unerlässlich für die Befreiung von Einzelnen und Gemeinden aus den Fallen von Unwissenheit und Passivität. Beide sind für den Fortschritt der Zivilisation unerlässlich.
Religion und Wissenschaft sind die beiden Flügel, auf denen sich die menschliche Geisteskraft zur Höhe erheben und mit denen die menschliche Seele Fortschritt machen kann.
Bahá’í-Schriften
Ein Planet - Ein Lebensraum - Lernen als Arbeitsmodus
Eine globale Zivilisation mit einer nachhaltigen Beziehung zur natürlichen Welt hat es noch nie gegeben. Die Schaffung ihrer Grundlagen an zahlreichen Orten, die ein breites Spektrum sozialer und ökologischer Gegebenheiten umfassen, erfordert daher einen Lernprozess auf globaler Ebene. Elementare Erfordernisse und grundlegende Prinzipien wurden in zahlreichen Bereichen, von physikalischen Prozessen bis hin zu politischen Rahmenbedingungen, identifiziert. Doch die kluge Anwendung von Prinzipien auf konkrete Fälle von sozialem Wandel kann nur durch Erfahrung erlernt werden.
Das Lernen als ein zentrales Ziel beim Handeln für die Umwelt zu setzen, erfordert bestimmte Gewohnheiten und Verhaltensweisen. In einem Modus des Lernens werden Visionen und Strategien immer wieder überdacht. Die Pläne entwickeln sich organisch im Laufe der Zeit und werden im Lichte durchgeführter Maßnahmen, gewonnener Erfahrungen, und Einsichten aus dem Gelernten modifiziert. Das Handeln ist prozessorientiert und nicht allein durch Veranstaltungen oder Projekte definiert. Willkürliche Änderung werden vermieden und die Kontinuität der Bemühungen gewahrt.
Echtes Lernen hängt ebenso sehr von den Motiven und Absichten der Beteiligten ab wie von formalen Strukturen und Prozessen. Eine internationale Konferenz, bei der es zum Beispiel um Status und Ansehen oder um Lob und Tadel geht, wird kaum zu nützlichen Einsichten führen, ganz gleich, wie viele Sitzungen dem Austausch von besten Praktiken und Erfahrungen gewidmet sind. Eine Lernhaltung erfordert auch Verständnis für die Rolle von Fehlern und Rückschlägen auf dem Pfad zum Fortschritt. Während die wissenschaftliche Methode die Dialektik von Versuch und Irrtum in vollem Umfang nutzt, werden internationale Prozesse oft von Anfang an durch die Suche nach dem perfekten Programm oder der perfekten politischen Vereinbarung gelähmt. Dies muss durch eine Kultur der Erkundung und der ernsthaften Suche nach angemessenen Lösungen ersetzt werden, in der vollen Erkenntnis, dass alle Beteiligten gelegentlich auf Rückschläge stoßen und ihre Ziele nicht erreichen. Demut ist das Tor zum Lernen.
Unerlässlich für das Lernen in der Praxis ist das Prinzip der gemeinsamen Beratung, verstanden als Prozess der Konsensbildung über die Wahrheit einer Situation und die Ermittlung der weisesten Vorgehensweise unter den verfügbaren Optionen. In einem Beratungsprozess bemühen sich die einzelnen Teilnehmer, über ihre jeweiligen Standpunkte hinauszugehen und stattdessen als Mitglieder eines Kollektivs mit dessen eigenen Zielen zu agieren. In einer von Offenheit und Höflichkeit geprägten Atmosphäre gehören Ideen nicht dem Einzelnen, dem sie einfallen, sondern der Gruppe als Ganzes. Die Wahrheit wird nicht als Kompromiss zwischen gegensätzlichen Interessengruppen behandelt, und die Teilnehmer werden nicht von dem Wunsch beseelt, sich gegenseitig zu beherrschen. Ziel ist es, die Kraft des vereinten Denkens und Handelns zu nutzen. Zudem werden die Perspektiven und Bestrebungen derjenigen, deren Leben von den Entscheidungen betroffen sein werden, stets berücksichtigt.
Der Aufbau nachhaltigerer Gesellschaften besteht nicht nur in der Anwendung vorhandenen Wissens, sondern auch in der Schaffung neuer Kenntnisse. Davon wird viel in Form von Erkenntnissen erlangt, die durch Experimente auf lokaler Ebene gewonnen werden. Erste Beobachtungen können lediglich aus persönlichen Berichten von Grassroots-Akteuren bestehen. Im Laufe der Zeit entstehen jedoch Muster, die dokumentiert und analysiert werden können, was zu einem immer reichhaltigeren Bestand von Erkenntnissen führt, der an die Basis zurückgegeben und zur Gestaltung nachfolgender Bemühungen genutzt werden kann. Auf diese Weise wird das Lernen über den Aufbau einer nachhaltigen Welt nicht nur zur Domäne einer begrenzten Gruppe von Experten, sondern vielmehr zu einem Unterfangen, das sich auf den Beitrag der breiten Masse der Menschheit stützt und diesen begrüßt.
Wissen gleicht den Flügeln im Leben des Menschen, es ist wie eine Leiter für seinen Aufstieg; es ist jedermanns Pflicht, sich Wissen zu erwerben.
Bahá’í-Schriften
Ein Planet - Ein Lebensraum - Wirtschaftliche Vereinbarungen neu überdenken
Die modernen Wirtschaftssysteme haben sowohl zur Zerstörung von Ökosystemen als auch zur Verarmung vieler örtlicher Gemeinden und einzelner Menschen geführt. Ungleichheiten nehmen zu, und die Schäden, die mit der ständigen Schaffung und Befriedigung von Bedürfnissen einhergehen, sind unbestreitbar. Um die Welt auf eine ökologisch nachhaltigere Grundlage zu stellen, muss die globale Wirtschaftsordnung völlig umgestaltet werden. Mensch und Planet müssen heute genauso stark geschätzt werden wie Profit und wirtschaftlicher Gewinn in der Vergangenheit.
Da die derzeitigen Ungleichgewichte zum großen Teil auf zahlreiche Formen von Exzessen zurückzuführen sind, muss das Prinzip der Mäßigung in globalen Vereinbarungen viel stärker zum Tragen kommen. Konzepte von Zufriedenheit, Genügsamkeit und Einfachheit, die in wachstumsorientierten Paradigmen wenig Platz finden, müssen zurückgewonnen und erweitert werden. Lebensweisen, die mit extremem Reichtum assoziiert werden, wie z. B. der Hang zu Bequemlichkeit und Luxus oder ein hohes Maß an Konsum und Verschwendung, müssen aufgegeben werden. Grundlegende Vorstellungen von Fortschritt, Entwicklung und Wohlstand müssen mit einer viel ganzheitlicheren Auffassung neu formuliert werden.
Um diesen Zielen näher zu kommen, müssen wirtschaftliche Vereinbarungen durch Werte geregelt werden, die höher sind als ihr eigener Nutzen. Die praktischen Erfahrungen von Einzelpersonen, Gemeinden, Unternehmen und Nationen lassen keinen Zweifel daran: Die Erzeugung, Verteilung und Nutzung von Reichtum und Ressourcen hat eine inhärente moralische Dimension.
Das kollektive Leben der Menschheit leidet, wenn eine Gruppe nur an ihr eigenes Wohlergehen denkt, isoliert von dem ihrer Nachbarn, oder wirtschaftlichen Gewinn verfolgt, ohne Rücksicht auf dessen Auswirkungen auf die natürliche Umwelt. Jede Entscheidung hinterlässt eine Spur. Wirtschaftliche Entscheidungen müssen daher im Einklang mit hohen Idealen getroffen werden. Reichtum muss der Menschheit dienen. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, Ansichten, Strukturen, Regeln und Systeme weiterhin aufrechtzuerhalten, die ganz offensichtlich nicht dem Gemeinwohl dienen.
Die menschlichen Verhältnisse müssen so geordnet sein, dass die Armut verschwindet, dass jeder so weit wie möglich ... an Behaglichkeit und Wohlergehen teil hat.
Bahá’í-Schriften
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