Start
Ein Planet - Ein Lebensraum - Lernen als Arbeitsmodus
Eine globale Zivilisation mit einer nachhaltigen Beziehung zur natürlichen Welt hat es noch nie gegeben. Die Schaffung ihrer Grundlagen an zahlreichen Orten, die ein breites Spektrum sozialer und ökologischer Gegebenheiten umfassen, erfordert daher einen Lernprozess auf globaler Ebene. Elementare Erfordernisse und grundlegende Prinzipien wurden in zahlreichen Bereichen, von physikalischen Prozessen bis hin zu politischen Rahmenbedingungen, identifiziert. Doch die kluge Anwendung von Prinzipien auf konkrete Fälle von sozialem Wandel kann nur durch Erfahrung erlernt werden.
Das Lernen als ein zentrales Ziel beim Handeln für die Umwelt zu setzen, erfordert bestimmte Gewohnheiten und Verhaltensweisen. In einem Modus des Lernens werden Visionen und Strategien immer wieder überdacht. Die Pläne entwickeln sich organisch im Laufe der Zeit und werden im Lichte durchgeführter Maßnahmen, gewonnener Erfahrungen, und Einsichten aus dem Gelernten modifiziert. Das Handeln ist prozessorientiert und nicht allein durch Veranstaltungen oder Projekte definiert. Willkürliche Änderung werden vermieden und die Kontinuität der Bemühungen gewahrt.
Echtes Lernen hängt ebenso sehr von den Motiven und Absichten der Beteiligten ab wie von formalen Strukturen und Prozessen. Eine internationale Konferenz, bei der es zum Beispiel um Status und Ansehen oder um Lob und Tadel geht, wird kaum zu nützlichen Einsichten führen, ganz gleich, wie viele Sitzungen dem Austausch von besten Praktiken und Erfahrungen gewidmet sind. Eine Lernhaltung erfordert auch Verständnis für die Rolle von Fehlern und Rückschlägen auf dem Pfad zum Fortschritt. Während die wissenschaftliche Methode die Dialektik von Versuch und Irrtum in vollem Umfang nutzt, werden internationale Prozesse oft von Anfang an durch die Suche nach dem perfekten Programm oder der perfekten politischen Vereinbarung gelähmt. Dies muss durch eine Kultur der Erkundung und der ernsthaften Suche nach angemessenen Lösungen ersetzt werden, in der vollen Erkenntnis, dass alle Beteiligten gelegentlich auf Rückschläge stoßen und ihre Ziele nicht erreichen. Demut ist das Tor zum Lernen.
Unerlässlich für das Lernen in der Praxis ist das Prinzip der gemeinsamen Beratung, verstanden als Prozess der Konsensbildung über die Wahrheit einer Situation und die Ermittlung der weisesten Vorgehensweise unter den verfügbaren Optionen. In einem Beratungsprozess bemühen sich die einzelnen Teilnehmer, über ihre jeweiligen Standpunkte hinauszugehen und stattdessen als Mitglieder eines Kollektivs mit dessen eigenen Zielen zu agieren. In einer von Offenheit und Höflichkeit geprägten Atmosphäre gehören Ideen nicht dem Einzelnen, dem sie einfallen, sondern der Gruppe als Ganzes. Die Wahrheit wird nicht als Kompromiss zwischen gegensätzlichen Interessengruppen behandelt, und die Teilnehmer werden nicht von dem Wunsch beseelt, sich gegenseitig zu beherrschen. Ziel ist es, die Kraft des vereinten Denkens und Handelns zu nutzen. Zudem werden die Perspektiven und Bestrebungen derjenigen, deren Leben von den Entscheidungen betroffen sein werden, stets berücksichtigt.
Der Aufbau nachhaltigerer Gesellschaften besteht nicht nur in der Anwendung vorhandenen Wissens, sondern auch in der Schaffung neuer Kenntnisse. Davon wird viel in Form von Erkenntnissen erlangt, die durch Experimente auf lokaler Ebene gewonnen werden. Erste Beobachtungen können lediglich aus persönlichen Berichten von Grassroots-Akteuren bestehen. Im Laufe der Zeit entstehen jedoch Muster, die dokumentiert und analysiert werden können, was zu einem immer reichhaltigeren Bestand von Erkenntnissen führt, der an die Basis zurückgegeben und zur Gestaltung nachfolgender Bemühungen genutzt werden kann. Auf diese Weise wird das Lernen über den Aufbau einer nachhaltigen Welt nicht nur zur Domäne einer begrenzten Gruppe von Experten, sondern vielmehr zu einem Unterfangen, das sich auf den Beitrag der breiten Masse der Menschheit stützt und diesen begrüßt.
Wissen gleicht den Flügeln im Leben des Menschen, es ist wie eine Leiter für seinen Aufstieg; es ist jedermanns Pflicht, sich Wissen zu erwerben.
Bahá’í-Schriften