Start
Religion und Wissenschaft - Beitrag aus der Gemeinde
Religion und Wissenschaft sind die beiden Flügel, auf denen sich die Intelligenz des Menschen in die Höhe aufschwingen, mit denen sie fortschreiten kann. Es ist nicht möglich, nur mit einem Flügel zu fliegen.
Abdu’l-Bahá (1844 - 1921)
Liebe Freunde,
wer obenstehendes Zitat aus Sicht führender Physiker unserer Zeit betrachten will, dem empfehle ich ein kleines Taschenbuch:
Hans-Peter Dürr (Hrsg.): Physik und Transzendenz - Die großen Physiker unseres Jahrhunderts über ihre Begegnung mit dem Wunderbaren, München 1990.
Es ist antiquarisch für kleines Geld erhältlich. Während ich dieses Buch las, kamen mir immer wieder Verse Bahá’u’lláhs und Abdu’l-Bahás in Erinnerung und ich bemerkte erstaunliche Parallelen. Wenn ihr euch auf Entdeckungsreise machen wollt, oder wenn euch naturwissenschaftliche Vorstellungen als Hindernis auf dem Weg zur Gotteserkenntnis erscheinen, wird euch das Buch eine wertvolle Lektüre sein und ihr werdet sicherlich viele weitere Zusammenhänge zwischen den beiden Bereichen - Religion und Wissenschaft - finden.
Hier ein kleines Beispiel:
Ohne Zweifel verdanken die Völker der Welt, welcher Rasse oder Religion sie auch angehören, ihre Erleuchtung derselben himmlischen Quelle und sind einem einzigen Gott untertan. Unterschiede der Regeln und Riten, denen sie unterstehen, müssen den wechselnden Anforderungen und Bedürfnissen der Zeitalter zugeschrieben werden, in denen sie offenbart wurden. Alle bis auf wenige, die aus menschlicher Verderbtheit entstanden, wurden von Gott verordnet und sind eine Widerspiegelung Seines Willens und Zieles.
Bahá’u’lláh, Äl 111:1
Die Frage nach den Werten - das ist doch die Frage nach dem, was wir tun, was wir anstreben, wie wir uns verhalten sollen. Die Frage ist also vom Menschen und relativ zum Menschen gestellt; es ist die Frage nach dem Kompass, nach dem wir uns richten sollen, wenn wir unseren Weg durchs Leben suchen. Dieser Kompass hat in den verschiedenen Religionen und Weltanschauungen sehr verschiedene Namen erhalten: das Glück, der Wille Gottes, der Sinn, um nur einige zu nennen. Die Verschiedenheit der Namen weist auf sehr tiefgehende Unterschiede in der Struktur des Bewusstseins der Menschengruppen hin, die ihren Kompass so genannt haben. Ich will diese Unterschiede sicher nicht verkleinern. Aber ich habe doch den Eindruck, dass es sich in allen Formulierungen um die Beziehungen der Menschen zur zentralen Ordnung der Welt handelt. Natürlich wissen wir, dass für uns die Wirklichkeit von der Struktur unseres Bewusstseins abhängt; der objektivierbare Bereich ist nur ein kleiner Teil unserer Wirklichkeit. Aber auch dort, wo nach dem subjektiven Bereich gefragt wird, ist die zentrale Ordnung wirksam und verweigert uns das Recht, die Gestalten dieses Bereichs als Spiel des Zufalls oder der Willkür zu betrachten. Allerdings kann es im subjektiven Bereich, sei es des einzelnen oder der Völker, viel Verwirrung geben. Es können sozusagen die Dämonen regieren und ihr Unwesen treiben, oder um es mehr naturwissenschaftlich auszudrücken, es können Teilordnungen wirksam werden, die mit der zentralen Ordnung nicht zusammenpassen, die von ihr abgetrennt sind. Aber letzten Endes setzt sich doch wohl immer die zentrale Ordnung durch, das „Eine“, um in der antiken Terminologie zur reden, zu dem wir in der Sprache der Religion in Beziehung treten.
Literatur- und Quellenhinweise
Werner Heisenberg, in: Positivismus, Metaphysik und Religion, zit. aus: Physik und Transzendenz, S. 318, Knaur Verlag, München 1990
Werner Heisenberg, deutscher Physiker, geboren am 5.12.1901, gestorben am 1.2.1976 in München. Bedeutende Arbeiten auf dem Gebiet der Atom- und Molekularphysik, der Quantenfeldtheorie, der Kernphysik, der kosmischen Strahlung und, in späteren Jahren, einer Einheitlichen Quantenfeldtheorie der Materie. Erhielt 1932 den Nobelpreis für Physik.
Dieser Beitrag wurde erstellt durch:
Jürgen Böller, Mitglied der Bahá'í-Gemeinde Witten, Juni 2016