Soziale Gerechtigkeit
„Offensichtlich sind unter den gegenwärtigen Regierungssystemen und -verhältnissen die Armen äußerstem Mangel und Elend ausgesetzt, während andere, denen es besser geht, in solchem Luxus und solcher Füller leben, die weit über ihre wirklichen Bedürfnisse hinausgehen. Diese ungerechte Verteilung von Anteilen und Vorrechten ist eines der tiefgreifenden Probleme von lebenswichtiger Bedeutung für die menschliche Gesellschaft. Die Notwendigkeit einer Angleichung und gerechten Verteilung, wodurch alle gleichermaßen an den Annehmlichkeiten und Vorrechten des Lebens teilhaben können, ist deutlich zu erkennen. Das Heilmittel dafür liegt in einer gesetzlichen Neuordnung der Verhältnisse.“
’Abdu‘l-Bahá zit. in „Wie die Wellen eines Meeres“ S. 182
Die Offenbarung von Baha'u'llah und das wirtschaftliche Leben
Das Universale Haus der Gerechtigkeit
1. März 2017
An die Bahá’í der Welt
Innig geliebte Freunde,
in einer zunehmend vernetzten Welt werden die gesellschaftlichen Verhältnisse aller Völker klarer erkennbar und ihre Lebensbedingungen deutlicher sichtbar. Zwar gibt es einige Entwicklungen, die hoffnungsvoll stimmen, aber vieles sollte doch schwer auf dem Gewissen der Menschheit lasten. Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Ausbeutung zerstören das Leben der Menschheit und sind dabei scheinbar immun gegen die Maßnahmen, mit denen politische Programme gleich welcher Couleur ihnen zu Leibe rücken wollen. Das andauernde Leid so vieler Menschen gehört ebenso zu den wirtschaftlichen Folgen dieses Elends wie die tiefreichenden strukturellen Defizite in der Gesellschaft. Niemand, dessen Herz von den Lehren der Gesegneten Schönheit angesprochen wurde, kann unberührt bleiben angesichts dieser Auswirkungen.
„Die Welt ist in großem Aufruhr“, stellt Bahá’u’lláh im Lawḥ-i-Dunyá fest, „und der Geist ihrer Bewohner im Zustand völliger Verwirrung. Wir flehen zum Allmächtigen, dass Er sie gnädig erleuchte durch die Pracht Seiner Gerechtigkeit und sie befähige, dessen gewahr zu werden, was ihnen zu allen Zeiten und unter allen Umständen zum Vorteil gereicht.“
Weiterlesen: Die Offenbarung von Baha'u'llah und das wirtschaftliche Leben
Eine Bahá'í-Sicht auf die Wirtschaft
Betrachte die Welt und denke eine Weile darüber nach.
Bahá‘u‘lláh
Die Angelegenheiten der Menschen sollten als Ganzes vom Prinzip der „Gerechtigkeit“ bestimmt werden. Es sind Gesetze und Prinzipien von Nöten, die das Wohlergehen und das Glück aller Glieder der Menschenfamilie sichern.
Ruhi-Buch 2, 3. Kapitel, 8. Gerechtigkeit
Alle Organisationen, die sich für die Besserung der Welt einsetzen, sind gut, sehr gut.
Abdu’l Bahá
Vollkommene Harmonie zwischen Wissenschaft und Religion ist wesentlich für ein glückliches, friedliches Zusammenleben in der menschlichen Gemeinschaft.
Abdu’l Bahá
Tolstoi und die Religion der Einheit
Die Ablehnung, die man anderen Religionen gegenüber hegt, rührt wohl hauptsächlich von der Unkenntnis derselben her. Die meisten Menschen bilden sich ein, dass ihre Religion die beste sei, die hoch über allen anderen stehe. Wenn sie sich die Mühe machten, andere Religionen näher kennen zu lernen, würden sie bald anderer Meinung werden.
Tolstoi war ein großer Forscher und Wahrheitsucher auf religiösem Gebiet. In den letzten Jahrzehnten seines Lebens hat er sich viel mit allen geistigen Lehren des Orients befasst und kam schließlich in regen brieflichen Gedankenaustausch mit vielen hochstehenden Lehrern und Vertretern aller orientalischen Religionen. Er war immer bemüht, die Grundwahrheiten aller Religionen zu erkennen und das Trennende, was zumeist von Menschen geschaffenes Beiwerk ist, beiseite zu lassen. Dabei ist er zu der Erkenntnis gekommen, dass das Grundgesetz aller Religionen die Liebe ist.
Im Christentum heißt es im 1. Joh. 4,16: "Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm."
Krishna, der im Hinduismus göttliche Verehrung genießt, sagt: "Meine Hand hat überall Liebe gesät und bietet sie dem, der empfangen will. Das Heil ward allen meinen Kindern gegeben, aber oft ist es, dass sie es in ihrer Blindheit nicht sehen."
Ein Ausspruch von Muhammad lautet: "O Herr, gib mir Liebe zu Dir! Gib mir Liebe zu denen, die du liebst! Mache, dass deine Liebe mir teurer sei, als ich selbst, als meine Nächsten und meine Güter!" Als Muhammad gefragt wurde, worin das höchste Wesen der Liebe sich zeige, antwortete er: "Tut allen Menschen, wie ihr wünscht, dass euch getan werde!"
Buddha sagt: "Die wahre Erlösung ist Liebe. Nur der Mensch, der sich an Stelle seiner begehrlichen Wünsche mit Liebe erfüllt, zerreißt die Ketten der Unwissenheit und der Leidenschaft und erlöst sich von Leiden und Tod."
Nach Laotse ist der einzige Weg auf welchem sich der Mensch mit Gott vereinen kann, die Liebe.
Zweifellos hat Tolstoi sich viel mit der Lehre des Báb und Bahá'u'lláhs befaßt, beiden das höchste Interesse entgegengebracht und daraus geschöpft. In dem Buche "Tolstoi und der Orient" von Birnhoff weisen viele Stellen, von denen ich einige anführen will, daraufhin. Er schreibt am 10. Juli 1901 an den persischen Gesandten Mirza Riza Chan: "Meiner Ansicht nach werden die Kriege erst dann aufhören, wenn ein jeder so von dem Grundsatz durchdrungen sein wird, niemandem zuzufügen, was er selber nicht erleiden will, dass er sich nicht mehr zum Militärdienst zwingen lassen wird, der nichts anderes darstellt, als eine Vorbereitung zum Morde; etwas, was dem Grundsatz der Gemeinschaft durchaus zuwiderläuft, denn ein jeder schätzt sein Leben am höchsten, und einen des Lebens berauben heißt eben, ihm das zuzufügen, was man nicht selber erleiden will. Ich meine, dass es allenthalben Leute gibt, wie bei Ihnen in Persien die Babisten (Tolstoi verwechselt häufig Babi's und Bahá'ís), die sich zu echter Religion bekennen, und dass ihre Ideen ungeachtet aller Verfolgungen sich immer mehr ausbreiten und letzten Endes über die Barbarei und tierische Grausamkeit der Regierungen triumphieren werden, vor allem über die Lügen, in die sie ihre Völker zu verstricken bemüht sind."
(S.98) An Gabriel Sacy: "Der Babismus interessiert mich seit langem. Ich habe alles, was mir darüber zugänglich war, gelesen, und obwohl mir seine wesentlichen Unterlage, die Babistenbibel, nicht von Wichtigkeit zu sein scheint, so glaube ich doch, dass der Babismus als sittliche und humane Lehre eine große Zukunft im Orient haben wird; er stimmt in vielem zum christlichen Anarchismus und wird früher oder später mit ihm verschmelzen."
(S.99) Aus einem Briefe an Frau Grinewskaja: "Von den Babisten weiß ich seit langem und interessiere mich seit langem für ihre Lehre. Mir scheint, dass sie eine große Zukunft hat, wie überhaupt alle rationalistischen Gesellschafts- und Religionslehren, die in der letzten Zeit aus den ursprünglichen, von ihren Priestern verunstalteten Konfessionen hervorgegangen sind: dem Brahamanismus, Buddhismus, dem Judentum, Christentum und Mohammadanismus, und zwar deswegen, weil sie nach Entfernung all der Auswüchse, die sie von einander trennten, danach streben, sich in einer einzigen, allgemein menschlichen Religion zu vereinigen."
(S.118) heißt es: "Was Ihre persönliche Meinung über meine Beurteilung des Islam angeht, so möchte ich Ihnen erwidern, dass es meiner Überzeugung nach nur eine wahre Religion gibt. Ganz hat sich diese wahre Religion der Menschheit noch nicht offenbart, aber bruchstückweise erscheint sie in allen Bekenntnissen. Aller Fortschritt der Menschheit beruht auf der immer innigeren Vereinigung aller - in dieser einen wahren Religion und in ihrer immer klareren Offenbarung. Daher müssen alle wahrheitsliebenden Menschen bemüht sein, nicht die Unterschiede unter den Religionen und seine Mängel hervorzuheben, sondern das, was sie einigt und ihren Wert ausmacht.
(S.120) "Die Lehre der Babisten, die, aus dem Mohammadnismus hervorgegangen, sich zum Bahaismus entwickelt hat, stellt eine der höchsten und reinsten Religionslehren dar."
(S.121) schreibt Tolstoi in Bezug auf die Baha'i: "Besonders wertvoll ist mir, dass sie die Notwendigkeit einer Religion für alle Menschen erkannt haben. In der Tat, man muss staunen, wenn man darüber nachdenkt, wie man auf solch einen einfachen Gedanken nicht ohne weiteres kommt. (Aus diesen Zeilen geht einwandfrei hervor, dass Tolstoi die Idee von der Einheit der Religionen aus der Bahá'í-Lehre geschöpft hat.)
(S.123) .."Es gibt eine ihrem religiösen Gehalte nach sehr hochstehende Sekte, die Babisten. Ihre Lehre wurde von Bahá'u'lláh weiter entwickelt, der von der türkischen Regierung nach Akká verbannt wurde, wo sein Sohn lebt. Seine Anhänger erkennen keine äußeren religiösen Formen an und sehen die allen Religionen gemeinsame Grundlage in einem guten Leben, d.h. in der Liebe zum Nächsten und darin, dass sie sich unter keinen Vorspiegelungen zur Teilnahme an Bösen verleiten lassen."
(S.33) Tolstoi schreibt im Jahre 1905 an Baba Premanand Bharati: "Lieber Freund und Bruder, der Aufgabe, die uns gestellt ist, besteht in der Bekräftigung einer Wahrheit, die alle Menschen gemein ist, die die ganze Menschheit in einem und demselben Glauben und in denselben Lebensregeln, die darauf gegründet sind, vereinigen soll. Die Menschheit muss sich in einem und demselben Glauben vereinigen, denn die Menschenseele scheint *blass*, wie Sie wissen, vielfältig und unterschiedlich in jedem Einzelnen, in der Tat ist es immer ein und dieselbe *Seele*, lieber Bruder,* meine* ich, müssen wir unsere nationalen Traditionen und Besonderheiten ablegen und nur die große internationale Wahrheit unserer Religionen predigen." Da der Einfluss Tolstois sich nicht nur auf den Orient, sondern auch auf die gesamte übrige Welt erstreckt, ist er wohl als einer der größten Wegbereiter für die Einheitslehre der Religionen anzusehen. (Herta Klintzing, Schwerin, d. 29.1.47)
* nicht lesbares Original
Vertiefung: Tolstoi und die Religion der Einheit ( von Herta Klintzing)
| GBS Recherche v2.5 (2749) © 2005 - 2008 Emanuel V. Towfigh & Peter Hoerster | Bahai-Studien.de |
Seite 2 von 2