Papstamt und Kirchenverfassung
Aus den Schriften 'Abdu'l-Bahás und Shoghi Effendis
Frage: im Matthäusevangelium, Kapitel 16, Vers 18, heißt es: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde." Was ist die Bedeutung dieses Verses?
Antwort: Dieser Ausspruch Christi ist die Bestätigung der Worte Petri, als Christus fragte: "Wer sagt denn ihr, dass ich sei?" und Petrus antwortete: "Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn." Darauf erwiderte ihm Christus: "Du bist Petrus" - denn Kaiphas bedeutet im Aramäischen Felsen - "und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde." Denn die anderen gaben Christus zur Antwort, dass Er Elias wäre, einige sagten Johannes der Täufer und wieder andere meinten Jeremia oder der Propheten einer.
Christus wollte durch eine Andeutung oder eine Anspielung Petri Worte bestätigen; und so sagte Er wegen der Eignung seines Namens, Petrus: " ... und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde" das heißt, dein Glaube, dass Christus der Sohn des lebendigen Gottes ist, wird zur Grundlage der Religion Gottes; und auf dieser Überzeugung wird das Fundament der göttlichen Kirche - die das Gesetz Gottes ist - errichtet werden.
Betrachte die Lehren Christi und prüfe Leben und Art der Päpste. Überlege: Gibt es zwischen den Lehren Christi und den Methoden der päpstlichen Herrschaft irgendeine Ähnlichkeit? Wir üben nicht gern Kritik, aber die Geschichte des Vatikans ist sehr außergewöhnlich. Der Zweck Unserer Beweisführung ist, dass die Lehren Christi eine Sache für sich sind, und die Methoden der päpstlichen Regierung eine ganz andere, denn sie stimmen nicht überein. Sieh, wie viele Protestanten auf Befehl der Päpste getötet wurden. Wie viele Gewalttätigkeiten und Unterdrückungen haben sie gutgeheißen, und wie viele Strafen und Torturen haben sie verhängt! Kann irgendeiner der süßen Düfte Christi in solchen Handlungen entdeckt werden?
('Abdu'l-Bahá, Beantwortete Fragen, S. 136-137)
Niemand wird, meine ich, die Tatsache anzweifeln, dass der Hauptgrund, warum die Einheit der Kirche Christi auf nicht wieder gut zu machende Weise erschüttert und ihr Einfluss im Laufe der Zeit untergraben wurde, darin liegt, dass das Bauwerk, das die Kirchenväter nach dem Hinscheiden Seines Ersten Apostels errichtet hatten, nicht auf Christi eigenen und ausdrücklichen Weisungen ruhte. Die Amtsgewalt und die Merkmale ihrer Verwaltung sind nur gefolgert und mittelbar, mehr oder minder berechtigt, aus einigen ungenauen, bruchstückhaften Hinweisen abgeleitet, die sie unter Seinen im Evangelium aufgezeichneten Worten verstreut fanden. Keines der kirchlichen Sakramente, keiner der Riten und keine der Zeremonien, welche die Kirchenväter kunstvoll ausgearbeitet und prunkvoll zelebriert haben, keine der Maßregeln harter Zucht, die sie den einfachen Christen unerbittlich auferlegten - nichts davon beruht unmittelbar auf der Vollmacht Christi oder ging von Seinen ausdrücklichen Worten aus. Nichts davon hat Christus geschaffen, noch hat Er eine dieser Institutionen besonders mit der hinreichenden Vollmacht belehnt, Sein Wort auszulegen oder dem, was Er nicht ausdrücklich geboten hat, etwas hinzuzufügen.
(Shoghi Effendi, Die Weltordnung Bahá'u'lláhs, S. 38-39)
Wird durch den Text des Evangeliums ... den Führern und Körperschaften, die das Recht beanspruchen und die Aufgabe übernommen haben, die Verordnungen ihrer heiligen Schriften auszulegen und die Angelegenheiten der betreffenden Gemeinschaften zu verwalten, ausreichende Autorität verliehen? Konnte Petrus, das anerkannte Oberhaupt der Apostel ... zur Bekräftigung des Vorrangs, mit dem [er] ausgestattet war..., schriftliche und ausdrückliche Bestätigungen von Christus ... aufweisen, mit denen [er] diejenigen zum Schweigen [hätte] bringen können, die unter [seinen] Zeitgenossen oder in einer späteren Zeit [seine] Autorität zurückgewiesen und durch ihre Handlungsweise die bis auf den heutigen Tag fortbestehenden Glaubensspaltungen beschleunigt haben? Wo, so dürfen wir getrost fragen, können wir in den überlieferten Aussprüchen Jesu Christi, mag es sich nun um die Frage der Nachfolge oder um die Verfügung besonderer Gesetze und genau umrissener Verwaltungsanordnungen handeln, neben den rein geistigen Prinzipien irgend etwas finden, das den ausführlichen Vorschriften, Gesetzen und Warnungen nahekommt, die in den verbürgten Äußerungen sowohl Bahá'u'lláhs als auch 'Abdu'l-Bahás in reicher Fülle vorliegen?
(Shoghi Effendi, Die Weltordnung Bahá'u'lláhs, S. 208)
Es liegt gewiss ein Körnchen Wahrheit in der Grundlage der Organisation der christlichen Kirche. Zum Beispiel sind die Vorrangstellung Petri und sein Recht auf die Nachfolge Jesu vom letzteren begründet worden, wenn auch ausschließlich mündlich und nicht in einer unmissverständlichen und klaren Sprache.
(Aus einem Brief im Auftrag Shoghi Effendis an einen einzelnen Gläubigen, 28.12.1936 [e.Ü.])
Was den Ausspruch Jesu Christi "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will Ich Meine Kirche bauen" betrifft; dieser Spruch begründet ohne jeden Zweifel die Vorrangstellung Petri und ebenso den Grundsatz der Nachfolge, doch ist er nicht ausdrücklich genug, was die Wesensart und Funktionsweise der Kirche selbst anbetrifft. Die Katholiken haben zu viel in diesen Ausspruch hineingelesen und von ihm gewisse Schlussfolgerungen abgeleitet, die überhaupt nicht zu rechtfertigen sind.
(Aus einem Brief im Auftrag Shoghi Effendis an einen einzelnen Gläubigen, 07.09.1938 [e.Ü.])
Die Bahá'í-Verwaltungsordnung als Gegenmodell
Sie haben auch in eindeutiger und eindringlicher Sprache die Zwillingsinstitutionen des Hauses der Gerechtigkeit und des Hütertums als ihre erwählten Nachfolger eingesetzt ...
(Shoghi Effendi, Die Weltordnung Bahá'u'lláhs, S. 38)
[Es] wird unzweifelhaft klar und deutlich, dass der Hüter des Glaubens zum Ausleger des Wortes gemacht und dem Universalen Haus der Gerechtigkeit die Gesetzgebungsgewalt für die Gegenstände verliehen worden ist, die nicht ausdrücklich in den Lehren offenbart sind ...
(Shoghi Effendi, Die Weltordnung Bahá'u'lláhs, S. 215)