• Örtliche und nationale Gemeinschaften werden sich in Zukunft nur dann ausgewogen entwickeln, wenn sie das geistige Wesen des Menschen anerkennen und die gleichzeitige Entwicklung der moralischen, emotionalen physischen und intellektuellen Seite des Menschen zu ihrem zentralen Anliegen machen. Sie werden die Freiheit der Religionen sicherstellen und die Errichtung von Stätten der Andacht fördern.
  • Diese Gemeinschaften werden die Achtung sowohl vor den Rechten wie auch vor den Pflichten fördern, die Gleichberechtigung und die Partnerschaft zwischen Mann und Frau pflegen und die Familie schützen. Sie werden die Schönheit der Natur erhalten und die Ästhetik in der Kultur pflegen. Sie werden in ihre Pläne die Prinzipien des Natur– und Artenschutzes einbauen. Und da sie von der Vorstellung der Einheit in der Vielheit geleitet werden, gilt ihre Unterstützung der Vielfalt gesellschaftlichen Engagements. Sie werden sich schließlich in zunehmendem Maße solchen Persönlichkeiten zuwenden, die sich als Diener der gesamten Menschheit verstehen.
  • Die Bahà’ì sind in diesem Sinne optimistisch, als sie eine solche Zukunft für unvermeidlich halten und sie schon angedeutet sehen. Gleichzeitig sind sie realistisch und erkennen sehr wohl, dass der Fortschritt in Richtung auf eine solche Zukunft ein großes Maß an Ausdauer, Opferbereitschaft und Veränderungswillen erfordert.
  • Die Geschwindigkeit dieses Fortschritts und dessen Kosten werden weitgehend durch Regierungen, multilaterale Organisationen, den privaten Bereich und Bürgerbewegungen bestimmt und getragen werden. Alle Beteiligten müssen sich über die Ziele klar werden, wenn sie konstruktive Teilhaber des Prozesses werden wollen.
  • Um den Fortschritt in der Entwicklung aufzuzeigen, werden soziale und wirtschaftliche Indikatoren von verschiedenen Institutionen benutzt, seien diese nun Einrichtungen der Vereinten Nationen, Regierungen, Wirtschaftsunternehmungen oder Wissenschaftler. Solche Indikatoren verändern zwar die Realität nicht, aber sie helfen uns dabei, die Dinge in einer bestimmten Weise wahrzunehmen, und sie dienen dazu, zu einem gemeinsamen Verständnis von Entwicklung zu gelangen.
  • Zurzeit laufen zahlreiche Bestrebungen, Entwicklungsindikatoren noch genauer bestimmen zu lassen, was wirklicher Fortschritt des einzelnen und der Gemeinschaft darstellt. Am beachtenswertesten ist hier der menschliche Entwicklungsindex, wie er vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen im jährlichen Bericht über die menschliche Entwicklung verwendet wird.
  • Dass geistige Werte für den menschlichen Fortschritt entscheidend sind – ein Gedanke, den die überwiegende Mehrheit der Menschheit schon lange teilt–, wird jetzt auch in zunehmendem Maß von Entwicklungsexperten anerkannt.
  • Der sich aus den verschiedenen UN–Konferenzen dieses Jahrzehnts herausschälende globale Aktionsplan hat dazu beigetragen, die vorherrschende Ansicht von Entwicklung zu verändern: Nicht länger wird Entwicklung als ein von oben dirigierter Prozess angesehen, der von Technik und der Wirtschaft vorangetrieben wird, sondern immer mehr definieren Menschen und Gemeinschaften, selbst, was sie unter Entwicklung verstehen und übernehmen dafür auch selbst die Verantwortung.
  • Viele dieser Pläne stellen ausdrücklich die Bedeutung geistiger Werte heraus. Die Kernüberlegung bildet die Vorstellung, dass das Wesen des Menschen im Grunde geistig ist und dass geistige Prinzipien, die den Bedürfnissen der menschlichen Seele entsprechen, einen ungeheuren Motivationsschub liefern, wenn Anstrengungen und Veränderungen erforderlich sind. Daher werden die Menschen in der ganzen Welt viel eher bereit sein, eine Politik und deren Programme zu unterstützen, die sich auf geistigen Prinzipien ableiten, als Programme, die auf einer rein materiellen Auffassung des Lebens beruhen.
  • Die Anwendung dieser Maßstäbe könnte nicht nur die Vision, sondern auch die Praxis von Entwicklung wandeln, wenn es darum geht, politische Maßnahmen, Zielvorgaben und Programme zu erarbeiten, abzuklären und auszuwählen. Zu den Indikatoren, die auf Geistigkeit beruhen, gehören: die Vision einer friedvollen und einigen Zukunft; die Prinzipien, die für eine Verwirklichung genau jener Zukunft entscheidend sind; das politische Umfeld, das diesen Prinzipien entspricht; und das Ziel, das der Indikator mit Fortschritt bezeichnet
  • Die Indikatoren sollten qualitativ oder quantitativ messbar und überprüfbar sein und sich einer breiten Vielfalt von Zusammenhängen anpassen, ohne die Integrität der beteiligten Prinzipien zu verletzen.
  • Wir schlagen für den Anfang fünf Prinzipien vor:
    1. Einheit in der Vielfalt
    2. Gerechtigkeit und Fairness
    3. Gleichberechtigung der Geschlechter
    4. Vertrauenswürdigkeit und moralische Verantwortung
    5. Unabhängige Suche nach der Wahrheit
  • Diese fünf Prinzipien können dann auf allgemeine Politikbereiche angewandt werden, um Entwicklungsindikatoren zu erarbeiten, die auf geistigen Prinzipien beruhen. Um zu einer Diskussion anzuregen, schlagen wir für den Anfang fünf Politikbereiche vor:
    1. Wirtschaftliche Entwicklung
    2. Erziehung
    3. Verantwortung für die Umwelt
    4. Grundversorgung mit Nahrung, Wohnung und Medizin
    5. Regierungsform und Bürgerbeteiligung
  • Indem man nun diese Prinzipien und Politikbereiche verbindet, entstehen vielfältige Möglichkeiten für Entwicklungsindikatoren, die auf geistigen Prinzipien beruhen.
  • Nehmen wir als Beispiel die Anwendung des Prinzips der Einheit in der Vielfalt auf den Bereich der Erziehung. Konkret kann dieses Beispiel auf vielfältige Weise Ausdruck finden – ein relevanter Aspekt wäre seine Verbindung mit dem Konzept des Weltbewusstseins. Man könnte etwa prozentual den Zeitaufwand berechnen, der im Klassenunterricht und in der Freizeit auf Unterrichtsgegenstände und andere Aktivitäten verwendet wird, die Weltbewusstsein fördern. Eine andere Vorgehensweise könnte sein, bei einer Analyse von Schulbuchinhalten den Prozentsatz zu errechnen, der sich diesem Thema widmet. Ein weiterer Indikator könnte das Vorkommen dieses Themas in der Lehrerausbildung messen.
    Ein anderes Beispiel zeigt, wie sich ein solcher Indikator bilden lässt; man kann das geistige Prinzip der Gerechtigkeit und Fairness auf das Feld der Wirtschaftspolitik anwenden. In diesem Fall wäre das Ziel, die Einkommensdiskrepanz zwischen den armen und reichen Ländern zu verringern. Zwar gibt es schon zahlreiche Messungen der Einkommenslücken zwischen einzelnen Ländern, diese sind aber zumeist statisch. Ein geistiger Ansatz wäre es, die Entwicklung der Einkommensverhältnisse aufzuzeichnen, um festzustellen, ob sich die Lücke zwischen den wirtschaftlich wohlhabendsten und ärmsten Ländern verringert oder sogar vergrößert.
  • Ein anderer Ansatz könnte die wirtschaftlichen Vorteile abwägen, die sich aus Handelsvergünstigungen ergeben, mit denen ärmere Länder bevorzugt werden.
  • Die Aufstellung von Zielvorgaben und die Definition von speziellen Indikatoren für Entwicklung auf geistiger Grundlage könnte als ein Prozess der Zusammenarbeit unternommen werden. Wir schlagen vor, dass Vertreter der Weltreligionen – vielleicht unter der Schirmherrschaft der Weltbank oder einer anderen internationalen Entwicklungsinstitution – zusammenkommen und mit einer Beratung über geistige Prinzipien und ihre Auswirkungen auf individuellen und gemeinschaftlichen Fortschritt einen Anfang setzen. Das erste Ziel könnte sein, dass man sich weltweit über eine begrenzte Zahl von allgemein anerkannten geistigen Prinzipien und eine Anzahl von Politikbereichen einigt, auf die sie mit Priorität angewendet werden sollten.
  • Das endgültige Ziel dieser Initiative wäre es freilich, geistige Prinzipien zum Kernpunkt der Entwicklungsbemühungen zu machen. Es wird heute zunehmend erkannt, dass eine anhaltende Entwicklung unmöglich ist, wenn nicht die Rolle solcher Prinzipien beim individuellen und gemeinschaftlichen Fortschritt Anerkennung findet. Entwicklungsindikatoren, die diesen Fortschritt messen und aufzeichnen, sind daher nicht nur zeitgemäß sondern wesentlich und entscheidend.
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